Hallo und vielen Dank, dass Ihr euch ein paar Minuten Zeit zum Lesen nehmt. Eigentlich verlangt die Nummerologie, dass die #04 von meiner Liebe zu Schalke 04 handelt, aber ich werde meine mentalen Kapazitäten darauf konzentrieren, den Klassenerhalt herbeizuwünschen…
Rausch
In Berlin ist es offenbar in vielen Buchläden bereits ausverkauft, und auch sonst berauscht sich das kulturinteressierte Publikum an Benjamin von Stuckrad-Barres “Noch wach?”. Endlich mal wieder eine Debatte aus dem deutschen Kulturbetrieb, die über die Feuilletons hinaus schwappt.
Wie hoch der literarische Gehalt des Ganzen ist, mag jede/r selbst entscheiden. Stucki goes “Out of the dark” und hat das Licht gesehen, gehört jetzt wieder zum akzeptierten Teil des Betriebs und hat gute Chancen, zum Thomas Gottschalk der Generation Golf zu werden. Zumindest ist es ihm gelungen, mit seiner Inszenierung ein Gossip-Lagerfeuer zu entzünden, an dem sich die deutsche Medien- und Kulturszene sowie der buchstabenaffine Teil der Gesellschaft für ein paar Tage wärmen können.
Wenn das Feuer abgebrannt ist, wird allerdings nicht viel übrig bleiben. Denn was sich nicht ändert: Irgendwas bei Springer. Die Reduzierung der Betroffenen zu Nebenfiguren in Macht- und Macho-Spielen. Der infantile Blick auf den Springer-Verlag als deutsches Mordor, dessen Untergang auch das lang ersehnte Ende aller Unvernunft hierzulande markieren würde.
P.S: Wer hat diese Amazon-Rezension verfasst?
Wohin des Weges, FDP?
Was rund um den FDP-Parteitag wieder auffällt: Die Liberalen lassen das Thema Bürgerrechte zwar immer irgendwie mitlaufen, aber einen wirklichen nennenswerten “Flügel” hat die Partei hier nicht mehr. Ein Marco Buschmann agiert als Justizminister auf einem viel dünneren Fundament als eine Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Immerhin erscheinen die Liberalen bei Bürgerrechtsfragen aber konsequent, während sie in anderen Fragen widersprüchlich agieren. Die Grenzen zwischen Korrektiv und inoffizieller Opposition innerhalb der Ampel verschwimmen. Als selbsternannte Partei der Rationalität ist man sich trotzdem nicht zu schade, die Idee der Technologieoffenheit mit Wolkenkuckucksheim-Ideen zu füllen (blauer Wasserstoff für die Heizung, als Forschungsministerin Kernfusionskraftwerke in zehn Jahren versprechen etc.).
Und, was ich besonders frappierend finde: Die FDP steht als einzige Partei der Ampel für Bürokratieabbau, behandelt das aber als Nebenthema. Wer aus der liberalen Ministerriege steht denn für Ideen rund um schlanken Gesetzesvollzug und neue Policy-Konzepte? Dabei könnte genau das verhindern, in die Neinsager-Sackgasse zu geraten.
(P.S: Die Kollegin Büüsker hat einen hörenswerten Hintergrund zu den innerparteilichen Widersprüchen verfasst)
Was von Buzzfeed News bleibt
Buzzfeed News macht dicht und Charlie Warzel schreibt davon, dass damit das Internet der 2010er-Jahre endet. Besonders in Deutschland dürften sich all diejenigen bestätigt fühlen, die solche neue Online-Marken selbst dann als Clickbait-Medien betrachteten, als die schon die ersten Pulitzer-Preise eingefahren hatten.
Ohne Buzzfeed News aber hätte sich die New York Times niemals in dieser Form digitalisiert und teilreformiert. Und es war die Phalanx von risikokapitalfinanzierten Online-Medien, die eine neue Generation von Journalistinnen und Journalisten in den Beruf gebracht hat. Und damit die Tür geöffnet, durch die frische Luft rund um Themen, Formaten und Erzählformen hineinkommen konnte. In Deutschland ist das nie passiert, weil der Druck gefehlt hat. Entsprechend sehen die Inhalte hierzulande aus, wie sie eben aussehen.
Allerdings gibt es natürlich auch eine Schattenseite dieser Medienexplosion und ihrer späteren Implosionen: Amerikanische Kolleginnen und Kollegen, die in ihren 30ern bereits zum dritten oder vierten Mal Opfer einer Entlassungswelle werden. Eine ganze Generation, die sich vermutlich fragt: Warum bin ich in diese verdammte Branche eingestiegen?
Tankie-Vorwurf reloaded
RE: Die Geschichte der Washington Post über die angeblichen Querfront-Anstrengungen des Kreml. Die Zusammenhänge, die hergestellt werden, sind dünn. Wagenknechts bizarrer Ex-Ehemann Niemeyer als ernstzunehmender Akteur rund um eine kremlunterstützte Querfront von Wagenknecht-Linker und AfD? Außer einem zeitlichen Zusammenhang zwischen “Moskau überlegt sich im Sommer, dass Querfront eine gute Idee wäre” (No Shit, Sherlock) und nicht näher genannten Kontakten zwischen AfD-Leuten und jemandem aus Wagenknechts Umfeld (Niemeyer?) und “Offiziellen des Kreml oder ihren Verbündeten” wird kein Indiz dafür genannt, dass Russland wirklich auf politische Verantwortungsträger Einfluss genommen hat.
Am interessantesten ist am ehesten, dass es offenbar von Russland finanzierte (?) Graffittis gegen Baerbock und eine erfolglose Social-Media-Troll-Kampagne gab. Alles andere erweckt eher den Eindruck, von einem ungenannten Geheimdienst im Sinne von “irgendwas bleibt schon hängen” durchgestochen worden zu sein. Mal abwarten, ob da noch was kommt, das diesen Eindruck widerlegt.
Bis demnächst!
Johannes