Notizen aus der abgelaufenen Woche.
Montag, 16. Oktober
Es gibt zu viele Lunten im Nahen Osten, um einen Flächenbrand auszuschließen. Das Einzige, was optimistisch stimmt: Kein Land in der Region hat derzeit daran wirklich Interesse, nicht einmal Iran. Es braucht keinen großen Krieg, um Nachbarländer wie Ägypten, Libanon oder Jordanien zu destabilisieren. Vielleicht nimmt am Ende das ehrgeizige Katar, das zynischerweise auch die Hamas-Führung beherbergt, eine Vermittlerrolle an und geht politisch gestärkt aus diesem Krieg hervor. Als einflussreicher Flüssiggas-Exporteur steht das Emirat in Sachen Rohstoff-Diplomatie Saudi-Arabien nur noch in wenig nach; politisch aber fehlt es trotz vorhandenem Ehrgeiz noch an Gewicht. Eigentlich eine ideale Gelegenheit, sich als Vermittler zu profilieren.
Womöglich aber bietet der aktuellen Krieg in Nahost auch Deckung für Militäroffensiven anderswo. Die USA halten es für möglich, dass Aserbaidschan in den kommenden Wochen Armenien angreifen könnte und sich den Sangesur-Korridor sichert. Auch hier gibt es Entwicklungen und Interessen, die dagegen sprechen. Aber die Gelegenheit ist gerade günstig.
Dienstag, 17. Oktober
Die israelische Bodenoffensive hat noch nicht begonnen. Damit verbunden: die (leise) Hoffnung, dass sie nicht stattfinden wird. Denn die Parallelen zu 9/11 liegen auch darin, dass die USA mit Hilfe der NATO voreilig Afghanistan einnahmen, ohne zu wissen, worauf sie sich einlassen. Israel allerdings dürfte wissen, worauf sie sich mit einer Besetzung des Gaza-Streifens einlassen: Hinterhalte, Tunnel-Labyrinthe, selbstgebaute Bomben, Zivilisten als Hamas-Schutzschilder.
Mittwoch, 18. Oktober
Fast so schwer wie die Weltlage ist derzeit mein Kopf, denn ich kämpfe derzeit auch mit einem Infekt. Zur Besserung von Stimmung und Gesundheit trägt immerhin dieser Auszug aus der Wikipedia-Biografie des TV-Schauspielers Bernd Herzsprung bei:
“Herzsprung war von 1979 bis 2008 mit Barbara Engel verheiratet. Das Paar trennte sich 2007, danach gelangten Bilder von Herzsprung und einem 19-jährigen Model als Paparazzistory in die Medien, was nach Angaben des Fotografen jedoch von Herzsprung inszeniert war, um nach der Trennung nicht als verlassener Ehemann dazustehen.”
Donnerstag, 19. Oktober
Meine Sorge: Solidarität mit Israel und das Bewusstsein, Verantwortung für ein sicheres und prosperierendes jüdisches Leben hierzulande zu tragen, beschränkt sich in Deutschland bald nur noch auf bestimmte Akademiker-Milieus und jene ältere Generation, die noch gegen das Schweigen der Eltern ankämpfen musste.
Freitag, 20. Oktober
In englischsprachigen Medien einige lesenswerte Texte zum Gaza-Krieg:
Obamas ehemaliger Sicherheitsberater Ben Rhodes über den viel zu hohen Preis der Eskalation. ($, manchmal)
Rhodes legt einen Gegenvorschlag vor, weg von der Logik der vollen Eskalation (übersetzt):
"Israel hat Alternativen. Eine gezieltere Kampagne gegen die Führung und Fähigkeiten der Hamas könnte mit einer historischen Anstrengung gekoppelt werden, um entscheidende arabische Unterstützung und Ressourcen für eine neue palästinensische Führung und ein wiederaufgebautes Gaza zu sichern.
Israels militärische und politische Führung könnte die Achtung des Kriegsrechts als zentrales Ziel ansehen, anstatt als taktisches Hindernis, indem sie kollektive Bestrafungen vermeidet und Schutzzonen für Zivilisten respektiert. Gazas südliche Grenze könnte zu einem Kanal für humanitäre Unterstützung an palästinensische Zivilisten werden, anstatt zu einer Route, um sie dauerhaft nach Ägypten zu vertreiben.
Das Ziel des Krieges selbst könnte ein dauerhafter israelisch-palästinensischer Frieden sein, anstatt ein entscheidender militärischer Schlag gegen die palästinensischen Bestrebungen nach Staatlichkeit. Die vergangenen Entscheidungen von Premierminister Netanyahu und die Formation seiner aktuellen Regierung legen nahe, dass dies nicht die Wege sind, die Israel wahrscheinlich einschlagen wird - das bedeutet aber nicht, dass wir der Überzeugung Glauben schenken sollten, dass es keine Alternativen zum erdrückenden und unaufhörlichen Einsatz von Gewalt gibt.
Es gibt immer Alternativen, so wie es sie für die Vereinigten Staaten nach dem 11. September gab."
Samstag, 21. Oktober
Argentinien wählt an diesem Wochenende. Ich ahne, dass einige meiner Freunde dort Javier Milei wählen werden, obwohl das absehbar in einem Trump-artigen Desaster enden wird. Allerdings wäre das natürlich nicht die erste Desasterregierung, sondern nur eine weitere. Ich kenne kein anderes Land, dass sich derart intensiv wünscht, seriös regiert zu werden - und gleichzeitig regelmäßig die haarsträubendsten Präsidentinnen und Präsidenten wählt.
Sonntag, 22. Oktober
Das Album - die Vertonung von Ginsbergs “The Fall Of America: Poems Of These States 1965-1971“ zu dessen 50. Jubiläum - ist insgesamt eher von überschaubarer Schönheit. Aber das hier, das löst die Grenzen der Zeit auf.
Bis zur nächsten Ausgabe!
Johannes