Hallo und ein gutes neues Jahr auch auf diesem Wege! Alle Beiträge erschienen am entsprechenden Tag auch in meinem Blog.
Montag, 1. Januar 2024: Schweigen
„Wenn die Sprache aufhört, beginnt das Schweigen. Aber es beginnt nicht, weil die Sprache aufhört. Das Fehlen von Sprache macht die Präsenz des Schweigens einfach deutlicher.“
Max Picard
(via L.M. Sacasas, rückübersetzt)
Dienstag, 2. Januar: Land der Stille
Gestern zufällig bei ARTE „Kongo: Im Reich der Stille“ gefunden (siehe Screenshot). Thierry Michels Dokumentation schont uns nicht – mit ihren Bildern, Eindrücken, Augenzeugen-Berichten und der Dimension dessen, was Menschen auch im 21. Jahrhundert einander antun können. Ich weiß, dass das ein ostafrikanisches Klischee ist, aber die Normalität von Krieg, Instabilität und Gewalt sind nun einmal nicht wegzudiskutieren.
In diesem Jahr könnte es zu einer weiteren Eskalation kommen – einem Krieg zwischen dem Kongo und Ruanda oder ethnischen Säuberungen gegen die im Kongo lebenden Tutsis.
Dominic Johnson schreibt in der taz, dem weiterhin einzigen deutschen Medium mit wirklich existierender Afrika-Berichterstattung, warum uns das angehen sollte:
„Der Rest der Welt sollte (…) den kolonialen Blick auf Kongo ablegen, sich nicht nur für seine Mineralien und Regenwälder interessieren, sondern auch für die Menschen Kongos. Nur wenn sie eine Zukunft haben, hat die Welt eine Zukunft.“
Dem kann ich nichts hinzufügen.
Mittwoch, 3. Januar: Plakatkritik
„ARTE, die Dating-Plattform?? Was muss die denken ,was du für ein langweiliges Leben hast, wenn Du ARTE guckst. Ah, ARTE… okay, und tschüss!“
(Mitgehört im Regionalexpress von einer Twentysomething, als der Zug neben diesem Plakat stand. Ich selber sehe Arte-Konsum ja als USP.)
Donnerstag, 4. Januar: Erwachender Politikbetrieb
Am Ende bin ich dann doch ein Bundespolitik-Junkie, entsprechend freut es mich, dass die nachrichtenarme Zeit im Regierungsviertel zu Ende geht. Um dann doch den Kopf schütteln zu müssen.
Die Ampel besänftigt die protestierenden Bauern und kürzt die Subventionen nur teil- und stufenweise. Es gibt gute Argumente dafür, aber man hätte glauben können, dass Scholz, Habeck und Lindner das vorher abgewogen hätten, statt etwas zu entscheiden und sich relativ schnell davon zu distanzieren. So erweckt man den Eindruck, man müsse nur laut genug protestieren (wenn man kein Klimaaktivist ist), um die Politik zum Einknicken zu bringen.
Die Hochwasserschäden sind noch nicht einmal beziffert, da bringt SPD-Chefin Saskia Esken schon die Aussetzung der Schuldenbremse ins Spiel. Mieses Timing, das den Sozialdemokraten mit Recht den Ruf einbringt, einfach nur auf einen Vorwand zur Notlagen-Erklärung zu warten, um sich von lästigen finanziellen Einschränkungen loszumachen. Was ungefähr genau das Gegenteil dessen ist, was Olaf Scholz eigentlich verkörpern möchte.
Und da wäre nochmal die SPD, dieses Mal in Gestalt des Arbeitsministers Hubertus Heil. Der will die Bürgergeld-Zahlungen zwei Monate aussetzen, wenn „Totalverweigerer“ jegliches Arbeitsangebot ablehnen. In der Praxis geht es um 20.000 Menschen, von denen ein nicht geringer Teil psychische Probleme haben dürfte. Nach der Kümmerer- und Respekt-SPD erleben wir jetzt wieder eine Sozialdemokratie, die den Sympathieverlust in der bürgerlichen Mitte mit mäandernder Symbolpolitik auszugleichen versucht.
Freitag, 5. Januar: Fährenmob
Ich hatte heute beruflich mit dem Thema „Fährenmob“ zu tun. Vielleicht der schlimmste Tag des (zugegeben noch jungen) Jahres. Die Instrumentalisierung durch Bauern-Gegner, die Relativierungen der Bauern-Freunde, die Rolle der staatsfeindlichen Extremisten bei der ganzen Sache; die Youtube-Kommentare, irgendwo zwischen Wut- und Reichsbürgertum; überhaupt die Vorstellung der Protestierenden, dass es eine gute Idee sein könnte, Habeck auf dem Rückweg vom Urlaub aufzulauern. Die Banalität dieser ganzen Szenerie. Und auch die Content-Maschine, die drumherum wieder anspringt.
Deutschland steckt dermaßen in der Sackgasse. Und das ist noch die positivste Interpretation, die mir einfällt.
Samstag, 6. Januar: LinkedIn
Eine dieser blöden Notwendigkeiten 2024 ist, mehr auf LinkedIn zu posten (add me!). Aber irgendwie fällt es mir schwer, das ernst zu nehmen. Ist das so eine Art Spiel, bei dem alle so tun, als wären sie irgendwelche Businessmenschen, die generische Beiträge über ihren tollen Job/Tag/Gedanken teilen und sich gegenseitig auf die Schulter klopfen, was man doch alles Tolles aus seinem Berufsleben gemacht hat? Liegt irgendwo im Internet eine Liste aus, welche Wörter man unbedingt unterbringen muss („spannend“, „journey“, „motivierend“, „amazing first“, „meinem Team so dankbar“, „habe reflektiert“ etc.).? Wäre das Geschehen dort ein Mensch, es wäre ein Neunjähriger, der in einem viel zu großen Anzug auf einer Schulbühne steht und sich als Erwachsener ausgibt. Aus dieser Perspektive wäre das ja dann durchaus sympathisch.
P.S.: Etwas Trost spendet die LinkedIn-Themenseite bei der Satireseite McSweeneys.
Sonntag, 7. Januar: Who By Fire
Bis zur nächsten Ausgabe!
Johannes