Hallo zu einer neuen Ausgabe!
Als die Aufregung über die Rede von J.D. Vance am Freitag hochkochte, schrieb ich in eine Chatgruppe:
“So isses, wenn Du noch keinen Termin mit dem Chef hattest, um über dein Portfolio zu reden… bleibt nur „Vice signalling“ an das Publikum daheim und die globale Neoreaktion. Mit Rumänien hat er IMO recht, aber das ist eine andere Geschichte.”
Vielleicht bin ich zu gelassen, aber der Vance-Auftritt passt in das Bild, das ich von der neuen Trump-Regierung bislang gewonnen habe: Sie ist unterm Strich unorganisiert und vor allem Donald Trump selbst macht einen sehr schwachen Eindruck. Das heißt nicht, dass sie nicht eine Menge Unheil anrichten können - das tun sie bereits. Aber es hilft, die Dinge ins Verhältnis zu setzen.
Beginnen wir mit dem, was Trump am gefährlichsten werden kann: Die Inflation. Für die kann man Trump noch nicht verantwortlich machen, aber der Anstieg um 0,5 Prozentpunkte auf drei Prozent im Januar war überraschend deutlich.
Ein großer Anteil davon hängt mit steigenden Mieten zusammen (für die Trump keine Policy-Lösungen anbietet), aber auch mit den Lebensmittelpreisen - der Eierpreis ist durch die Vogelgrippe auf einen Rekordpreis (acht US-Dollar für ein Dutzend Eier) angestiegen*.
Zölle, de facto einfach zusätzliche Einkaufssteuern für US-Verbraucher, werden die Inflation nochmals anheizen. Paul Krugman, der das alles regelmäßig analysiert, erinnert auch an Trumps Versprechen “die Lebensmittelpreise vom ersten Tag zum Sinken zu bringen”. Nun…
Die Zölle auf Stahl und Aluminium werden Produkte wie Autos und Flugzeuge teurer machen, und für einen Abschwung in den entsprechenden Branchen sorgen. Ein weiterer Faktor: Die Abschiebungen, die besonders im Bereich Tierverarbeitung und Landwirtschaft für Lücken sorgen könnten. Mal sehen, ob wir nicht im Laufe dieses Jahres noch von “Trumpflation” sprechen.
Inflation trägt auch dazu bei, dass die US-Notenbank den Zinssatz im Laufe des Jahres weit weniger stark als von Trump gefordert senken dürfte. Und umgekehrt: Sollte die Fed Trumps Willen folgen, wird die Inflation ziemlich steil ansteigen.
FT-Kolumnist Edward Luce schreibt dazu:
“Die [Inflations-]Bedenken haben die Futures-Märkte dazu veranlasst, die einzige erwartete Zinssenkung der Fed in diesem Jahr von September auf Dezember zu verschieben. Noch vor drei Monaten rechneten die Märkte mit vier Zinssenkungen der Fed im Jahr 2025. Ich gehe davon aus, dass sich die Märkte bis April darüber streiten werden, wie stark die Geldpolitik gestrafft werden soll. Das wird Trump nicht gefallen. Er machte nicht nur Biden für die Inflationszahlen vom Januar verantwortlich, sondern forderte die Fed auch auf, die Zinssätze am Mittwoch zu senken.”
Und dann wären da die Zollverhandlungen: In den Gesprächen mit Mexiko und Kanada hat Trump gleich zu Beginn seiner Amtszeit gezeigt, dass es ihm um “symbolische Siege” geht. Beide Länder konnten ihm bereits von ihnen beschlossene Maßnahmen als Entgegenkommen verkaufen. Und kamen damit durch.
Trump ist schwach. Er hinterlässt den Eindruck, dass er andere arbeiten lassen möchte (das ist nichts Neues) und sich lieber um “Projekte” kümmern möchte: Chairman des Kennedy Center, der wichtigsten Washingtoner Kulturstätte, werden. Oder den Rosengarten des Weißen Hauses planieren, um einen Patio daraus zu machen.
Dass Trump schwach ist, wenn man ihn nur richtig anfasst, weiß auch Wladimir Putin. Der erhielt vergangene Woche bereits ohne eigenes Zutun mehrere Upgrades: Die Isolation, in die der Westen Putin seit dem Beginn seines Ukraine-Angriffs drängen wollte, ist nun beendet. Mit der Absage an eine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine hat er ein wichtiges Verhandlungselement vom Tisch genommen, bevor überhaupt verhandelt wird. Und die Landgewinne im Osten der Ukraine hat Trump auch schon einmal mit dem Satz “Sie haben dafür gekämpft, sie sollen es behalten” legitimiert. Und die Ukraine und Europa sitzen bei den Verhandlungen nicht mit am Tisch.
Das alles ist tragisch, aber nicht neu: Trump ist kein Verhandlungsgenie, sondern weich wie ein Pudding. Man erinnere sich, dass Trump selbst fucking Nordkorea nach dem Gipfeltreffen mit Kim Jong-Un die Möglichkeit gab, einen diplomatischen Erfolg zu feiern. Trump ist großspurig im Auftreten, aber ein miserabler Verhandler, der im persönlichen Gespräch Konfrontationen aus dem Weg zu gehen scheint (wenn er sein Gegenüber respektiert). Das Problem ist, dass er Autokraten respektiert, die Verbündeten nicht. Wie lange, bis sich die Verbündeten abwenden und alle Welt merkt, wie einfach Trump sich hinter die Fichte führen lässt, wenn man ihm nur den PR-Erfolg lässt?
Und da wären die innenpolitischen Umbaumaßnahmen. Die meisten davon stammen aus dem Drehbuch des “Project 2025”. Sie waren gut vorbereitet und werden nun entsprechend stringent durchgeführt, von Razzien gegen illegal im Land befindliche Migranten bis zur Anti-Trans-Politik.
Die Probleme werden beginnen, wenn die Trump-Regierung mit unvorhergesehen Entwicklungen konfrontiert wird. Die übliche Kakophonie in seinem Umfeld, das Einflüstern, all die Intrigen des Hofstaats von “Trump I” sind nicht verschwunden. Kohärenz? Unwahrscheinlich. Am Ende kommt es darauf an, wer als Letztes mit ihm spricht.
Schon jetzt schwankt Trump in seiner Haltung zu den Vorschlägen der beiden Mehrheitsführer in Senat und Repräsentantenhaus, wie sie die legislative Agenda umsetzen (vor allem die Verlängerung der Steuersenkungen für Reiche, dazu die Militarisierung der Grenze). Das Verhältnis von Mike Johnson (Repräsentantenhaus) und John Thune (Senat) ist kompliziert, die republikanischen Mehrheiten in beiden Kammern knapp, doch Trump lässt das alles offenbar laufen.
Richard Neustadt schrieb in einem Buch “Presidential Power and Modern Presidents”, dass der US-Präsident trotz seiner Macht letztlich nur mit einer Eigenschaft weiterkommen kann: Überzeugungskraft. Aus einer Rezension von Neustadts Buch:
“Die Überzeugungskraft ist vielleicht der wichtigste Aspekt des Präsidentenamtes, über den Neustadt schreibt. Die Macht der Regierung der Vereinigten Staaten ist weit gestreut; der Präsident kann nicht einfach befehlen und empfangen. Es ist viel komplizierter als das. Andere Regierungsebenen haben andere Wählergruppen und andere Quellen der Macht und der Interessen. Der Präsident ist ein Mann und braucht andere, um etwas zu erreichen. Der Präsident muss mit anderen verhandeln und sie davon überzeugen, dass das, was er will, in ihrem besten Interesse ist. (…) Nur weil der Präsident etwas will, heißt das noch lange nicht, dass die anderen, die auch die Macht und die Befugnisse haben, seine Wünsche auch umsetzen werden. “Die Vorteile des Präsidenten werden durch die Vorteile der anderen kontrolliert. Die Beziehungen werden in beide Richtungen ziehen. Es handelt sich um Beziehungen der gegenseitigen Abhängigkeit. Der Präsident ist abhängig von den Personen, die er überzeugen will; er muss mit deren Bedürfnis oder Angst vor ihnen rechnen (Neustadt 31).”
Dass Trump diese Eigenschaften fehlen, dürfte spätestens ab März klar werden: Dann steuern die USA im Haushaltsstreit auf den nächsten Shutdown zu.
In diesem Zusammenhang ist auch DOGE zu sehen: Das Projekt von Elon Musk, Regierungsbehörden zu entkernen und zu automatisieren, ist im Kern nichts anderes als der Versuch, die Macht der Exekutive weiter zu entgrenzen. Unter anderem, indem man das Haushaltsrecht des US-Kongress aushebelt. Dann muss Trump nicht überzeugen, sondern kann durchregieren.
Tatsächlich droht hier in mehreren Bereichen eine Verfassungskrise ungeahnten Ausmaßes, wenn sich die Trump-Regierung weigern sollte, Gerichtsurteile zur Einschränkung seiner Macht nicht umzusetzen (Details dazu hier, $).
Andrew Sullivan, der Trumps bisherige Performance ebenfalls für wenig überzeugend hält, schreibt allerdings dazu optimistisch:
“Was die „Macht des Geldbeutels“ angeht? Glaubt [Haushaltschef Russell] Vought wirklich, dass Kavanaugh oder Roberts den Kongress in das Äquivalent von Putins Duma verwandeln werden? Derselbe Kavanaugh, der zuvor entschieden hat, dass „selbst der Präsident nicht die einseitige Befugnis hat, vom Kongress bewilligte Mittel nicht auszugeben“? Derselbe Roberts, der entschied, dass „kein Bereich klarer in die Zuständigkeit des Kongresses fällt als die Macht über die Geldbörse“? Sagen wir einfach, dass ich bezweifle, dass selbst dieses Gericht diese Auffassung (…) über die amerikanische Präsidentschaft akzeptieren wird. Das bedeutet, dass all diese Rechtsbrüche auf lange Sicht umsonst sind. Es ist ein Chaos, das zum Scheitern führt.”
Wir werden sehen, wie es ausgeht. Trump II ist eine Katastrophe, für die USA und die Welt. Aber wir sollten dem US-Präsidenten nicht den Gefallen tun, ihn für einen anderen Donald J. Trump halten als der, der er schon immer war.
* Die Vogelgrippe ist noch einmal ein eigenes Thema, das in diesem Jahr IMO leider noch sehr relevant werden wird (viel Erfolg mit einem Impfgegner wie Robert F. Kennedy als Gesundheitsminister). Die US-Regierung hat bereits begonnen, Behörden-Publikationen der zuständigen Behörde hierzu einzuschränken.
Bis zur nächsten Ausgabe!
Johannes