Hallo zu einer neuen Ausgabe! Dieses Mal mit einem Kurzesssay.
Wir neigen dazu, das Weltgeschehen in Theorien zu packen und deshalb selbst für absurde politische Entscheidungen Gründe zu ermitteln. Im Falle der Trump-Zölle gibt es da nicht viel zu sehen.
Trump ist politisch ein Kind der Achtziger. Und damit geprägt vom damaligen Handelskonflikt zwischen den USA und Japan. Übersetztes Zitat aus der New York Times von 2019:
“In einer Zeitungsanzeige warnte er 1987, dass „Japan und andere die Vereinigten Staaten seit Jahrzehnten ausnutzen“, indem sie Amerika nicht für seine Unterstützung bei der Landesverteidigung bezahlen. Im selben Jahr beschwerte er sich in einem Interview mit Larry King und 1988 mit Oprah Winfrey über die japanischen Handelspraktiken.
„Wenn Sie jetzt nach Japan gehen und versuchen, etwas zu verkaufen, vergessen Sie es, Oprah. Vergessen Sie es einfach“, sagte Trump und fügte hinzu: “Sie kommen hierher und verkaufen ihre Autos, ihre Videorekorder, sie machen unsere Unternehmen kaputt.”
Handel ist für Trump, genau wie in seinem Immobiliengeschäft, ein Nullsummenspiel.
An dieser Haltung hat sich nichts geändert, nur dass nun China im Mittelpunkt steht und der Rest der Welt auch nicht gut abschneidet. Schwiegersohn Jared Kushner suchte 2016 zu dieser Haltung den passenden Wirtschaftsberater und fand (auf Amazon) Peter Navarro. Der war und ist ein absoluten Außenseiter unter den Ökonomen (aber nicht im guten Sinne) und erfand mit seinem Anagramm Ron Vara sogar einen Fake-Experten, der seine Thesen beglaubigte. Und darf seit 2016 Trump in seiner Weltsicht bestätigen.
Der ganze Kreis drumherum versucht seit der Zoll-Ankündigung einfach eine passende Begründung zu finden, warum Trump mal dies, mal das macht. Parallel dazu kann Trump nun ganz im Geiste einstiger absoluter Herrscher Zollrabatte gewähren (vgl. Apple) oder rund um Gegenleistungen irgendetwas verhandeln, was irgendwie nach außen gut aussieht.
Es ist alles ziemlich banal. Warum hat Trump die Zölle für 90 Tage reduziert? Zitat aus der New York Times aus dieser Woche:
“Am Mittwochmorgen ermutigte Trump die Amerikaner, Aktien zu kaufen, und forderte Unternehmen auf, sich in den Vereinigten Staaten niederzulassen. (...)
Doch kurz nachdem Trump seine Botschaft in den sozialen Medien veröffentlicht hatte, traf er sich im Oval Office mit Bessent, Lutnick und Kevin Hassett, dem Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats. Sie diskutierten mit dem Präsidenten über die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen und betonten ihre Besorgnis über die Gesundheit des US-Finanzsystems im Allgemeinen. Trump verstand insbesondere, was der Anstieg der Anleiherenditen für die Banken und ihre langfristige Kreditvergabe bedeuten würde - ein Thema, mit dem er aufgrund seiner Jahre als Leiter eines Immobilienunternehmens bestens vertraut ist.”
Trump kennt nur, was Trump schon kannte (mal abgesehen, dass es rund um sein Umfeld auch Insiderhandel-Gerüchte rund um die Entscheidung gibt).
Nun ist das alles banal, aber folgenreich. Aber wie folgenreich? Ich würde zwei Vergleiche ziehen.
Der erste Vergleich betrifft den Irak-Krieg unter George W. Bush 2003. Die Irak-Invasion resultierte nicht nur aus 9/11, sondern vor allem aus Hybris und geopolitischer Blindheit. Die Folgen zeigten sich aber nicht direkt - wenige Wochen nach Beginn der Invasion erklärte Bush bekanntlich “Mission accomplished” - sondern erst in den Destabilisierungen in den Jahren danach. Innenpolitisch in einem Wunsch nach Rückzug der USA aus dem Weltgeschehen, der letztlich auch Trumps Aufstieg begünstigte; global in verschiedensten Umwälzungen in der Region bis hin zum syrischen Bürgerkrieg und der auf ihn folgenden Flüchtlingskrise 2015. Es lässt sich also sagen: Die Wirkungen des Irak-Kriegs entfalteten sich langsam, aber heftig.
Die Analogie zu Trumps Zollpolitik: Das Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr stark sinken. Langfristig aber führt die geschürte Unsicherheit zu sinkenden Investitionen in die amerikanische Wirtschaft, zu einem schwachen US-Dollar und Zweifeln daran, ob der Dollar wirklich noch die Weltwährung ist. Am Horizont lässt sich auch die Eskalation des amerikanisch-chinesischen Konflikts zu einem Krieg noch deutlicher als ohnehin schon erkennen.
Das alles betrifft natürlich auch den Rest der Welt. Wenn die amerikanische Wirtschaftet hustet, bekommen alle anderen die Grippe. Die Weltunordnung wird sich verschärfen beziehungsweise sich auch die Wirtschaft einverleiben.
Ein zweiter Vergleich ist die Finanzkrise, genauer gesagt der “Lehman-Moment” 2008. In den vergangenen Tagen gab es an den Anleihemärkten nicht nur Anzeichen dafür, dass das Vertrauen in den US-Dollar sinkt; diese Entwicklung ist vielmehr mit der Liquiditätsfrage verbunden.
Nathan Tankus hat vergangene Woche nachvollziehbar (aber komplex) beschrieben, warum das so ist: Größere Banken werden seit der Finanzkrise 2008 so reguliert, dass “hochwertige liquide Vermögenswerte“ (HQLA) halten müssen und ihre Bilanzen nicht durch An- und Verkäufe von Staatsanleihen flexibel erweitern können. Das schwächt ihre Rolle als Liquidätsgeber. Stattdessen haben nun Hedgefonds und andere “Schattenhändler“ diese Funktion übernommen. Allerdings agieren die prozyklisch. Heißt: Sie verkaufen in Krisenzeiten, statt die Anleihen aufzunehmen. Das wiederum kann zu Liquiditätsengpässen im Finanzsystem insgesamt führen.
Ob das passieren wird oder vielleicht sogar schon überholt ist - ich habe keine Ahnung. Das alles ist ein, zwei Levels über meinem ökonomischen Laienwissen. Was mir aber klar scheint: Die Gefahr einer kurzfristigen globalen Kettenreaktion auf den Finanzmärkten, die sich ja vergangene Woche schon angedeutet hatte, ist ebenso real wie die einer stufenweisen “Chaotisierung” der Weltwirtschaft. Eines von beiden wird wohl eintreten. Ungeschoren kommen wir nicht davon.
Bis zur nächsten Ausgabe!
Johannes